Grundsätze:Der Umstand, dass ein Mitglied es versäumt hat, Angaben über seine aktuelle finanzielle Situation zu machen, kann es auf keinen Fall rechtfertigen, dass sein Einkommen fiktiv auf die Beitragsbemessungsgrenze festgelegt wird, ohne hierbei sein vorhergehend bekanntes finanzielle Potential zu berücksichtigen.
Doch selbst wenn mit Beginn einer Pflichtversicherung eine Neubewertung erforderlich wäre, verbietet es sich, dass Einkommen eines säumigen Mitglieds fiktiv auf die Beitragsbemessungsgrenze festzulegen. Bei einer solchen fiktiven Festlegung fehlt es an Realitätsbezug. Mit Ausnahme der hauptberuflich Gewerbetreibende wird auf keinen Fall die tatsächlichen finanziellen Verhältnisse der anderweitigen Gruppenmitglieder hierbei abgebildet. Solche Mitglieder bestreiten ihren Lebensunterhalt zumeist durch entsprechende familiäre Zuwendungen oder geringen Nebenverdienst Nebentätigkeiten, wobei im Schnitt das finanzielle Potential dieser Mitglieder weit unterhalb der Beitragsbemessung liegt. Dem muss Rechnung getragen werden.
Unterschied zwischen gewerbetreibende und erwerbslose Mitglieder bei der Festlegung eines fiktiven Einkommens auf die Beitragsbemessungsgrenze:
Bei den hauptberuflich gewerbetreibende freiwillig versicherten Mitglieder gab es hierzu überhaupt keine Regelung bezüglich eines säumigen Mitglieds. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich davon ausgegangen, dass das monatliche Einkommen bei der Gruppe der hauptberuflich gewerbetreibenden Mitglieder über der Kappungsgrenze liegen würde. Sollten jedoch die Einnahmen geringer sein und unterhalb der Grenze liegen, müsste der Nachweis hierfür erbracht werden. Oder in anderen Worten: Wenn ein solches Mitglied keine Angaben macht, ging und geht der Gesetzgeber davon aus, dass sein Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze liegen würde. Eine solche Annahme ist durchaus plausibel.
Wenn jedoch ein über Jahre arbeitsloses freiwillig versichertes Mitglied keine Angaben über seine finanzielle Situation machen würde, kann man eher davon ausgehen, dass er vielleicht psychische Probleme oder Ärger bzw. anderweitige Probleme hat, als das seine finanzielle Situation von beispielsweise 700 € im Monat auf die Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 4700 € (Stand 2020) ansteigen würde. Als weiteres Beispiel für diese Absurdität kann die Gruppe von Studenten herangezogen werden, die z.B. Bafög in Höhe von ca. 800 € beziehen. Hierbei das Einkommen eines säumigen Studenten über 4000 € festlegen zu wollen, ist unsinnig. Bei dem Erwerbslosen bzw. bei dem Studenten fehlt es an jeglicher plausiblen Erklärung, wie es zu einer solchen fiktiven bzw. angenommenen Steigerung kommen könnte. Dies nennt man Willkür.
Bewertung von Verhaltensweisen säumiger Mitglieder:In dem Zusammenhang darf noch angemerkt werden, dass ein Mitglied verpflichtet ist, bei Veränderung seiner finanziellen Lage, umgehend die Krankenkasse zu informieren. Wenn während des gesamten Jahres keine entsprechende Veränderung vom Mitglied gemeldet wurde, darf man bei der alljährlichen Ermittlung des Mitgliedsbeitrags, eher von einer Finanzsituation ausgehen, die die gleiche Lage des Vorjahres aufzeigt und widerspiegelt, als dass sich sein aktuelles Einkommen am Stichtag urplötzlich auf 4000 € gesteigert hätte. Eine solche behördliche Annahme der urplötzlichen Steigerung von einem Tag zum anderen, in diesen Höhen, müsste plausibel erklärt werden. Dies wird jedoch nicht gelingen. Dies nennt man Willkür.
Gründe, weshalb das fiktive Einkommen auf die Beitragsbemessung festgelegt werden sollte:
Es hätte beispielsweise dargelegt werden müssen, aus welchen Gründen die Entscheidung basiert, das Einkommen eines säumigen Mitglieds fiktiv auf die Beitragsbemessungsgrenze festgelegt werden sollte. So hätte auch die Möglichkeit bestanden, diese Grenze auf 2000, 3000 oder 4000 € festzulegen. Wenn tatsächlich die Absicht bestanden hätte, von einer Schätzgrundlage, wie sie beim Finanzamt oder bei Wärmediensten praktiziert werden, wegzukommen und durch überzogene Forderungen Angaben mit allen Mitteln zu erzwingen, dann würde ein solches Ziel auch mit weniger drastischen Mitteln erreicht werden. Schließlich verfügen die verschiedenen Gruppen mit Ausnahmen der Gewerbetreibende, über kein so hohes finanzielles Potential. Diese Beispiele zeigen, dass ein solcher Verwaltungsakt auf keinen Fall verhältnismäßig ist.
Aufzeigen der Folgen einer Regelung, die eine Korrektur der Beiträge nur für die Zukunft ermöglicht und somit eine Rückerstattung von überbezahlten Beiträge verbietet:
Grundsätzlich würde es jedoch keine Rolle spielen, in welcher Höhe sich die Forderungen belaufen, wenn mit dem Nachreichen der Angaben eine Rückerstattung bzw. ein ersatzloses Streichen der Forderungen erfolgen würde. Sicherlich würde der Kasse eine Aufwandsentschädigung für den höheren Verwaltungsaufwand zustehen. Aber eine Regelung, die vom Gesetzgeber nur für die Gewerbetreibende vorgesehen hatte, auch auf sozial schwache Mitglieder zu übertragen, um dann die Gelder mit dem Wissen einzutreiben und sogar auf 30 Jahre festschreiben zu wollen, dass diese Menschen nachweislich über wenig Geld verfügen, ist mehr als ein starkes Stück. Es darf hierzu noch angemerkt werden, dass diese Regelung bereits abgeändert wurde. Die überhöhten Beiträge können beim Nachreichen entsprechender Angaben rückwirkend für ein Jahr zurückerstattet werden.